Contested Modernities. Postcolonial Architecture in Southeast Asia

Diskursveranstaltungen, Ausstellung, Publikation
April bis Oktober 2021

Projektwebsite: www.seam-enconters.net

Die postkoloniale Architekturmoderne Südostasiens wird vor dem Hintergrund einer rasanten Urbanisierung einerseits und dem andauernden Prozess der Dekolonialisierung andererseits in der Region zunehmend thematisiert. In Deutschland und Europa sind jedoch weder die Architekturen noch diese Diskussionen präsent. Das Programm Contested Modernities bringt nun den südostasiatischen Diskurs mit einer Ausstellung, Online-Veranstaltungen und einer Publikation nach Berlin, wo aktuell erstaunlich ähnliche Diskussionen um das baukulturelle Erbe der Moderne geführt werden.

Contested Modernities stellt aktuelle Positionen zur südostasiatischen Moderne in einen internationalen Dialog und eröffnen neue Sichtweisen auf die Geschichte, Bedeutung und Zukunft der Moderne – in der Region und darüber hinaus.

Das Projekt ist Teil des langfristig angelegten Programms Encounters with Southeast Asian Modernism und fußt auf einem mehrjährigen Austausch zwischen dem Berliner Kurator:innenteam und Wissenschaftler:innen, Architekt:innen, Künstler:innen und Kurator:innen aus der Region. Im Jahr 2019 ermöglichten Forschungen, Ausstellungen und Veranstaltungen in Phnom Penh, Jakarta, Yangon und Singapur eine intensive Auseinandersetzung mit der postkolonialen Architektur in den jeweiligen Städten. Die umfangreichen Erkenntnisse aus der gemeinsamen Arbeit und das im transdisziplinären Austausch entwickelte Wissen bilden den Ausgangspunkt für das Programm in Berlin.

In einem öffentlichen Online-Diskursprogramm kommen ab April 2021 Akteur:innen aus Südostasien mit Initiativen aus Berlin und internationalen Experte:innen aus Architektur, Kunst, Wissenschaft und Verwaltung zusammen, um gemeinsame Themenstellungen und Handlungsansätze zu reflektieren und aus unterschiedlichen Perspektiven zu beleuchten.

Eine Ausstellung im Berliner Haus der Statistik präsentiert im Herbst 2021 Beiträge aus Phnom Penh, Jakarta, Yangon und Singapur, die sich an den Schnittstellen architektonischer, künstlerischer und wissenschaftlicher Arbeit kritisch mit den Erzählungen der postkolonialen Architekturmoderne und dem Umgang mit diesem baukulturellen Erbe auseinandersetzen. Dazu kommen aus Deutschland Ost und West Projekte der Entwicklungshilfe und der sozialistischen Solidarität, die zeigen, dass es im Kalten Krieg auch auf diesem Feld unterschiedliche Positionen gab.

Im Rahmen des Projekts erschien im April 2021 zudem eine Ausgabe des ARCH+ Magazins, Deutschlands führender diskursiver Zeitschrift für Architektur und Urbanismus.

Contested Modernities ist eine Initiative der Kurator:innen Sally Below, Moritz Henning, Christian Hiller und Eduard Kögel.

Das Projekt wird gefördert durch den Hauptstadtkulturfonds Berlin (HKF) und das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat (BMI)

Partner und Unterstützer:

Programm:

Online-Diskursprogramm

Im Mittelpunkt der Beiträge stehen die postkolonialen Architekturmodernen in ihren jeweiligen lokalen Ausprägungen und zeitgenössischen Bedeutungskontexten, Strategien für die Neu- und Umnutzung von Bestandsbauten sowie Bildungs- und Ausbildungskonzepte vor dem Hintergrund lokaler Wissensproduktion.

Building Modernities
und Launch der ARCH+ Ausgabe Contested Modernities
Freitag, 16. April 2021, 14 – 17 Uhr MEZ, 19 – 22 Uhr UTC+7

Während die Planer der ehemaligen Kolonialmächte auch noch nach der Kolonialzeit in den jeweiligen Ländern arbeiteten, begannen die jungen lokalen Architekten, die teilweise in Europa, den USA oder der Sowjetunion ausgebildet waren, mit der Suche nach einer identitätsstiftenden Gestaltung, die vom Klima und der spezifischen Kultur geprägt war. Einige von ihnen fanden sich in informellen Netzwerken über Ländergrenzen hinweg zusammen und suchten nach Ideen für die Stadt in den Tropen. Wie haben diese internationalen Netzwerke funktioniert? Wer hat sie initiiert? Welche Konflikte tauchten zwischen den Beteiligten auf? Welche geopolitischen Ambitionen steckten hinter dem Engagement?

Einführung:
Anh-Linh Ngo, Architekt und Mitherausgeber von ARCH+:

Einführung in die kommende ARCH+ 243: Contested Modernities. Postkoloniale Architektur und Identitätskonstruktion in Südostasien

Vorträge:
Christina Schwenkel, Professorin, Department of Anthropology, University of California, Riverside:
Anticolonial Solidarity and Decolonial Planning in Vietnam

Eduard Kögel, Forscher:
Julius Posener and Lim Chong Keat: The Malayan Architect on Trial

Wee H. Koon, Architekt, Forscher und Lehrender:
An Emergent Asian Modernism

Diskussion:
farid rakun, ruangrupa/Gudskul, und Anh-Linh Ngo:

On transdisciplinary networks.Vor dem Hintergrund der vorhergehenden Beiträge diskutieren farid rakun und Anh-Linh Ngo über transdisziplinäre und transnationale Netzwerke und Wissensaustausch zwischen Kunst und Architektur.

Q&A

Die Veranstaltung findet online über Zoom sowie über einen Stream auf der Facebook-Seite von ARCH+ statt und wird in englischer Sprache durchgeführt. Die Teilnahme ist kostenfrei. Für die Teilnahme über Zoom melden Sie sich bitte hier an. Die Zugangsdaten werden Ihnen kurz vor der Veranstaltung zugeschickt.

Weitere Vortragsveranstaltungen:

The Present of Modernity
Juni 2021 – Termin wird rechtzeitig angekündigt

Die rasante Urbanisierung und der damit zusammenhängende Anstieg der Bodenwerte ebenso wie eine häufig politisch motivierte Neubewertung der eigenen Baugeschichte führen dazu, dass die Gebäude der Moderne verschwinden. Dieses Phänomen ist in Südostasien wie in Europa zu beobachten, so stand beispielsweise auch das Haus der Statistik in Berlin kurz vor dem Abbruch. Durch Initiativen und eine öffentliche Debatte ist es geglückt, daraus ein Modellprojekt für gemeinschaftliche Raumproduktion zu machen, das im Moment umgesetzt wird. Doch wie ist es darüber hinaus um den Bestand der Moderne bestellt, in Deutschland und Südostasien?

The Future of Modernity
September 2021 – Termin wird rechtzeitig angekündigt

Welche Konzepte werden heute in Deutschland diskutiert, und wie korrespondieren diese mit den Strategien in Südostasien? Hier wie dort gibt es erste Erfahrungen und Erfolge im Umgang mit Gebäuden der Moderne, die jedoch nicht als selbstverständlich angesehen werden können. Deshalb ist es nötig, sich auszutauschen, Erfolge zu untersuchen, Strategien zu diskutieren und zu erörtern, welcher Mehrwert für die Gesellschaft bei einem Erhalt entsteht. Welche Zukunft kann die bauliche Moderne haben? Welche Argumente zwischen zeitgenössischem Anspruch, lokaler Nutzung und ökologischen Ansätzen tragen zu einer Zukunft für diese Gebäude bei?

(Un-)learning Modernism
Oktober 2021 – Termin wird rechtzeitig angekündigt

Netzwerke in Kunst, Architektur und Kultur arbeiten in Südostasien daran, gängige Erzähl- und Handlungsschemata zur Moderne in Frage zu stellen. Das Spektrum reicht von der klassischen, universitären Forschung über künstlerische Aktionen, forschende und aufklärende Bildungsarbeit bis zu konkreten Initiativen zum Erhalt von Gebäuden. Da nicht nur die Curricula in Architekturuniversitäten oft von westlichen Schulen übernommen wurden, stellt sich auch hier die Frage nach einer Dekolonisierung. Welche Formate sind nötig, um neue und kritische Sichtweisen zu ermöglichen? Welche politischen, sozialen und kulturellen Hürden gilt es zu überwinden? Wie kann ein transnationaler, disziplinübergreifender Wissenstransfer in Zukunft gestärkt werden?

Die Veranstaltungen finden online über Zoom sowie über einen Stream auf der Facebook-Seite von ARCH+ statt und werden in englischer Sprache durchgeführt. Die Teilnahme ist kostenfrei.

Weitere Informationen und Anmeldung unter: www.seam-encounters.net.

Publikation:
ARCH+ 143: Contested Modernities. Postkoloniale Architektur und Identitätskonstruktion in Südostasien
April 2021

Im Rahmen von Contested Modernities erscheint im April 2021 eine Ausgabe von ARCH+ zur südostasiatischen Moderne. ARCH+ ist Deutschlands führende diskursive Zeitschrift für Architektur und Urbanismus und erscheint viermal im Jahr. Jede Ausgabe widmet sich einem anderen Thema und beleuchtet den kulturellen und gesellschaftlichen Kontext zeitgenössischer Raumproduktion. Seit fünf Jahrzehnten widmet sich ARCH+ dem Experimentieren in Architektur und Stadtplanung. Durch die Verflechtung von Print- und Online-Publikationen mit öffentlichen Veranstaltungen und Projekten fungiert ARCH+ als unabhängige, engagierte Plattform für Architekturkritik.

Die ARCH+ Ausgabe thematisiert anhand von Beispielen aus Kambodscha, Indonesien, Myanmar und Singapur, wie der Prozess des Nation Building im Zuge der Dekolonialisierung in Architektur und Städtebau vollzogen wurde. Viele dieser Bauten, die einerseits die Emanzipations-bestrebungen der jungen Nationen illustrieren, und gleichzeitig als wichtige Beispiele einer tropischen Moderne gelten, sind heute durch die rasante Urbanisierung stark gefährdet. Die Autoren dieses Heftes setzen sich deshalb für die kritische Aufarbeitung, den Erhalt und die Neuprogrammierung dieser Architekturen ein.

Gastredaktion: Sally Below, Moritz Henning, Eduard Kögel

Mit Beiträgen von: Ben Bansal, Ute Meta Bauer, Sally Below, d-associates, Michael Falser, Gudskul, Moritz Henning, Christian Hiller, Ho Puay Peng, Ho Weng Hin, Hun Sogkana, Eduard Kögel, Lu Ban Hap, Mam Sophana, Andra Matin, Pen Sereypagna, Poum Measbandol, farid rakun, ruangrupa, U Maung Shwe, Giovanna Silva, Darren Soh, U Sun Oo, Setiadi Sopandi, Shirley Surya, Tay Kheng Soon, Vuth Lyno, Wee H. Koon, and Johannes Widodo und weiteren.

Weitere Informationen unter www.archplus.net

Ausstellung
Haus der Statistik Berlin, Herbst 2021 – Termin wird rechtzeitig angekündigt

Die Ausstellung nimmt die Erlangung der Unabhängigkeit in den beteiligten Ländern zum Ausgangspunkt und stellt Architektur und Stadtplanung dieser Zeit aktuellen urbanen Praktiken und Zukunftsfragen gegenüber. Beispielhafte Bauten und etablierte Narrative der südostasiatischen Moderne werden einer kritischen Revision unterzogen und in aktuelle internationale Diskurse zu Architektur, Stadtplanung und Baukultur eingebunden. Dabei werden sowohl die Rezeptionsgeschichte der Moderne, ihre unterschiedlichen Einflüsse und lokalen Ausprägungen innerhalb Südostasiens beleuchtet als auch Verbindungen und Entwicklungslinien zwischen der Region und Ost- und West-Deutschland nachgezeichnet.

Im Spannungsfeld zwischen postkolonialen Setzungen, zeitgenössischen Positionen und aktuellen urbanen Fragestellungen entstehen Diskurse über die alternative Nutzung von Gebäuden und Ensembles der Moderne und Konzepte, die dem heutigen städtebaulichen Entwicklungsdruck standhalten.

Die Beiträge aus Phnom Penh, Jakarta, Yangon und Singapur bauen auf vier Ausstellungen auf, die 2019 im Rahmen von Encounters with Southeast Asian Modernism von den südostasiatischen Projektpartner:innen in den jeweiligen Städten kuratiert wurden. Sie hinterfragen, erweitern und ergänzen bestehende Narrative über die Moderne und zeigen in Berlin das fachliche und zivilgesellschaftliche Engagement für den Erhalt von Bestandsbauten in Südostasien.

Ein neu entwickelter Beitrag der Berliner Kurator:innen beleuchtet die Austauschbeziehungen zwischen Ost- und West-Deutschland und Südostasien in den 1950er bis 1970er-Jahren und stellt sowohl Verbindungen als auch Transfers aus Ost und West dar. Damit wird das Thema erstmalig in den Fokus gebracht.

Das geplante Ausstellungsort Haus der Statistik steht dabei sowohl modellhaft für einen neuen Umgang mit dem Gebäudebestand der Spätmoderne in Berlin als auch für die Frage, wie ein solidarisches Miteinander in der Stadt von Morgen möglich ist. An diesem Ort sollen im Dialog neue Erkenntnisse über Geschichte, Bedeutung und Zukunft der Modernen im Spannungsfeld von Globalisierung und lokalen Gegebenheiten entwickelt werden.

Beiträge

Folding Concrete 2.0 / Phnom Penh: kuratiert von Pen Sereypagna und Vuth Lyno

Visualization of the national history: From, by, and for whom? / Jakarta: kuratiert von Grace Samboh, Hyphen- und ruangrupa/Gudskul

Housing Modernities / Singapur: kuratiert von Ho Puay-Peng mit Nikhil Joshi, Johannes Widodo

Occupying Modernism / Jakarta: kuratiert von Avianti Armand, Setiadi Sopandi, Ko-Kurator Rifandi Septiawan Nugroho

Poelzigs Enkel und die Platte in den Tropen: Deutsche Einflüsse und Projekte in Südostasien, kuratiert von Sally Below, Moritz Henning, Christian Hiller, Eduard Kögel

Synthesis of Myanmar Modernity / Yangon: kuratiert von Pwint und Win Thant Win Shwin

Abbildung: Peter Zuiderwijk