Das Nationalmuseum in Peking und die Präsentation nationaler Kultur in China

In Peking soll 2010 das neue Nationalmuseum eröffnet werden. Es befindet sich in dem vom deutschen Architekturbüro gmp umgebauten ehemaligen Revolutionsmuseum am Platz des Himmlischen Friedens in Peking. Die Änderungen des Entwurfs spiegeln die Diskussion um den Stil nationaler Repräsentationsbauten.

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Das neue Nationalmuseum von der Dong Chang’an Jie. © Rendering: gmp

Private Galerien, unabhängige Künstler und die Verbindung zu wirtschaftlichen Aspekten, die in China treffend unter dem Begriff Kulturindustrie zusammengefasst sind, haben die Kultur der Volksrepublik China in den letzten Jahren entscheidend verändert. Sie schufen neue Zusammenhänge, die sich auch auf die Präsentation von Kultur durch staatliche Institutionen auswirken. Der Zuwachs an internationaler Bedeutung der Nation und die Bildungsrevolution der letzten Jahre sowie ein verändertes Freizeitverhalten werden in der Struktur und Erscheinung der Museumslandschaft sichtbar.

In Peking wirkte 1998 der internationale Architektenwettbewerb für das Nationaltheater als Wendepunkt in der Debatte über neue öffentliche Kulturbauten. Zu diesem Zeitpunkt öffnete bereits das von dem französischen Architekten Jean Marie Charpentier entworfene Grand Theater in Shanghai die Türen für das Publikum. Dessen Landsmann Paul Andreu wurde mit der Planung für das futuristische, in Titan gehüllte Ei des Nationaltheaterbaus in Peking beauftragt, das 2008 kurz vor den olympischen Spielen eröffnet werden konnte. Die auf höchster politischer Ebene gebilligte extravagante Form neben der Großen Halle des Volkes gab der lokalen Architekturdebatte über nationale Repräsentation, die lange von konservativen Kreisen und einer aus der maoistischen Ära stammende Ästhetik beherrscht war, eine völlig neue Wendung. Die Entscheidung für ein solch kontextloses Bauwerk öffnete ein Spielfeld für internationale Architekten. Sie konnten nach der Jahrtausendwende für Olympia Bauwerke realisieren, die sowohl den Auftraggebern wie den Architekten mit ihrer medialen Inszenierung internationale Anerkennung bescherten. Die politische Führung hatte verstanden, dass sich Stararchitekten im Kampf um mediale Aufmerksamkeit trefflich nutzen lassen. Und die Architekten begriffen, dass der Wille zur Selbstdarstellung Konstruktionen ermöglicht, die unter anderen gesellschaftlichen Bedingungen nur schwer zu realisieren sind.
Die Vorzüge dieser Symbiose haben auch andere chinesische Metropolen erkannt. So wurde Zaha Hadid beauftragt, das Opernhaus in Guangzhou zu bauen. Dort realisiert ebenfalls nach einem internationalen Wettbewerb das holländische Büro Information Based Architecture zusammen mit Arup den spektakulären, mit 610 Metern derzeit höchsten Fernseh- und Aussichtturm der Welt. Beide Bauten sollen während der Asienspiele 2010 die Aufmerksamkeit der internationalen Öffentlichkeit auf sich ziehen. Auch im Kontext der Expo 2010 in Shanghai sollen in vielfältiger Weise spektakuläre neue Kulturbauten sowohl von ausländischen wie von inländischen Architekten entstehen.

Das Nationalmuseum in Peking

Im Kaiserreich war die Verbotene Stadt in Peking das Zentrum der Welt. Nach der Revolution von 1911 entstand auf dem einstigen Vorhof zur Verbotenen Stadt der erste zentrale öffentliche Raum. Mit der Proklamation der Volksrepublik 1949 durch Mao Zedong erlangte der Platz des Himmlischen Friedens nationale Bedeutung. Zur Feier des zehnjährigen Jubiläums der kommunistischen Revolution wurde er 1959 in seinen jetzigen Ausmaßen neu gestaltet. Als seitliche Begrenzung hat man zwei wichtige öffentliche Bauten realisiert, die zusammen mit dem Denkmal der Volkshelden auf dem Platz und dem später hinzugefügten Mausoleum für Mao Zedong das Zentrum der Volksrepublik repräsentieren. In der ideologisch bestimmten Debatte um einen angemessenen Baustil kreuzte sich 1959 das bereits seit den dreißiger Jahren assimilierte westliche Beaux-Arts-Konzept mit sowjetischen Vorbildern und dekorativen Anleihen bei der eigenen Tradition. Diese Mischung wurde zum Modell für Kulturbauten im ganzen Lande. Das monumentale Bauensemble am Platz des Himmlischen Friedens – auf der einen Seite die Große Halle des Volkes, auf der anderen ein Museumsbau für die Chinesische Revolution und die Chinesische Geschichte – sollte ein Gegengewicht zur geschichtsträchtigen, musealisierten Verbotenen Stadt schaffen.

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Ein Teil der 260 Meter langen Erschließungshalle des neuen Museums. © Rendering: gmp

Für den Umbau der Museumsbauten auf der östlichen Seite des Platzes in ein neues Nationalmuseum wurde 2004 mit einem internationalen Architektenwettbewerb die Verdoppelung der Fläche angestrebt. Den Wettbewerb gewann das Hamburger Architekturbüro von Gerkan, Marg und Partner (gmp) in Zusammenarbeit mit der China Academy of Building Research (CABR) aus Peking.
Der ursprüngliche Entwurf, mit dem der Wettbewerb gewonnen wurde, sah den Erhalt der Hauptfassaden vor und fasste den neuen Teil unter einem Dach zusammen. Er wurde Ende 2005 fallengelassen. Die Architekten hatten versucht, über das Volumen mit einer zeitgenössischen Architektur die räumliche Präsenz gegenüber der Großen Halle des Volkes zu stärken und die Rückseite mit polygonalen Baukörpern in einen deutlichen Kontrast zur vorgefundenen Form zu setzen. Nach Aussage der Architekten folgten sie dann aber nach mehreren Überarbeitungen dem Willen des Bauherrn, um das neue Volumen „harmonisch“ in den Altbau zu integrieren. „Harmonie“ ist seit dem fünften Plenum des 16. Zentralkomitees der Kommunistischen Partei im Oktober 2005 ein Zauberwort der politischen Führung, unter dem die „gesellschaftlichen Widersprüche“ ausbalanciert werden sollen. Die Spannungen zwischen der neuen urbanen Mittelklasse und den vom Land stammenden Wanderarbeitern beunruhigen die Regierung, Konzepte für eine gleichberechtigte soziale Entwicklung sind nur schwach ausgebildet.

Möglicherweise deshalb hat sich der Bauherr für das Nationalmuseum wieder auf die ästhetische Haltung von 1959 zurückgezogen, die nun das Erscheinungsbild des Umbaus prägt. Die Hauptfläche des insgesamt 192.000 Quadratmeter großen Museums ist kompakt und achssymmetrisch in den an drei Seiten erhaltenen Altbau eingefügt. Die monumentale, 260 Meter lange zentrale Halle erschließt über Treppenanlagen die Galerieebenen. Die Staffelung der neuen Dachabschlüsse, mit ihrer dekorativen Referenz an die sozialistischen Prachtbauten, hat ihr Vorbild auf der gegenüberliegenden Seite des Platzes in der Großen Halle des Volkes. Der Rückzug auf die alten ästhetischen Konzepte steht in deutlichem Kontrast zum unmittelbar benachbarten Neubau der Nationaloper.
Die architektonische Sprache dieser beiden Projekte enthält unterschiedliche Botschaften für unterschiedliche Adressaten: Für die internationale Öffentlichkeit bei den olympischen Spielen wollte man das technisch Machbare in einer futuristischen und medienwirksamen Inszenierung präsentieren, während nun die Botschaft ans eigene Volk die alten Werte betont.

Eigenständige Ausdrucksweise in der Provinz

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Das Ordos Art Museum der Pekinger Architektin Xu Tiantian von 2007. © Fotograf: Ruogu Zhou

Wie eingangs erwähnt, sind für das kulturelle Selbstverständnis in China heute nicht mehr nur der Staat und seine Organe in der Hauptstadt zuständig. Auch lokale Initiativen tragen neue Facetten zur zeitgenössischen Baukultur bei. Auf private Initiative entstanden viele Museen außerhalb der Zentren, die den Bezug zum Ort und zur handwerklich geprägten Bautechnik berücksichtigen. Unabhängige chinesische Architekten, wie zum Beispiel Liu Jiakun mit dem Museum für buddhistische Skulpturen in Chengdu (Sichuan) oder die Architektin Xu Tiantian mit ihrem Museumsneubau in Ordos (Innere Mongolei), zeigen, dass man in der Provinz auf eine eigenständige Ausdrucksweise setzt. Dabei wird selbstverständlich der internationale Diskurs über Architektur reflektiert, ohne den immer noch ideologisch unterlegten Debatten in Peking zu folgen.

Text: Dr. Eduard Kögel, Berlin
Experte für chinesische Architektur und Stadtentwicklung, Dozent an der Technischen Universität Berlin

Der Text erschien zuerst im Katalog zur Ausstellung „Anders zur Welt gekommen. Das Humboldt-Forum im Schloss.“

Im November 2009 erschien er im Deutsch-Chinesischen Kulturnetz, einer Kooperation des Goethe-Instituts mit der Robert-Bosch-Stiftung.

Links:

Ausstellung vom 9.Juli bis 17.1.2010 in Berlin: Anders zur Welt gekommen. Das Humboldt-Forum im Schloss.

National Museum in Peking (offizielle Webseite)

Architekten gmp

Xu Tiantian (DnA Design and Architecture)

Liu Jiakun (Jiakun Architects)